Text und Diagramme Rainer Mikulits

OIB 25 Jahre Österreichisches Institut für Bautechnik

Die Anfänge des OIB

Am 1. Jänner 1994 trat das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in Kraft, an dem auch der EFTA-Staat Österreich teilnahm, und bloß ein Jahr später, am 1. Jänner 1995 trat Österreich der Europäischen Union bei. Beides bedeutete, dass auch in Österreich die Spielregeln des europäischen Wirtschaftsraumes galten und die nationalen Rechtsvorschriften entsprechend angepasst werden mussten. Im Bereich des Bauwesens betraf dies insbesondere Bauprodukte, für die der freie Handel im EWR durch die Bauproduktenrichtlinie gewährleistet werden sollte. Die bisherigen landesspezifischen Bestim-mungen - vor allem Baustoffzulassungen - mussten somit durch ein EWR-kompatibles System ersetzt werden. Ge-fordert waren hier aufgrund ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit für das Baurecht im Allgemeinen1 vor allem die Bundesländer. Diese hatten bereits seit einiger Zeit im Bereich der Bauprodukte kooperiert, schließlich gab es ja schon den „Bundesländerausschuss für Bauarten und Bauweisen“ (BABB), in dem die Bundes-länder zusammenarbeiteten. Vor dem Hintergrund des EWR- und EU-Beitrit-tes Österreichs kam deshalb sehr bald die Idee auf, die bisherige Struktur des BABB nach dem Vorbild Deutsch-lands in eine gemeinsame Institution der Länder überzuführen.

Vor diesem Hintergrund schlossen die Bundesländer die „Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Zusam-menarbeit im Bauwesen“ ab, die vor allem folgenden zwei Zwecken diente:

•             Umsetzung der Bauproduktenrichtlinie im Landesrecht sowie die

•             Einrichtung des „Österreichischen Instituts für Bau-tech-nik“ (OIB) als gemeinsame Institution.

Diese neu eingerichtete gemeinsame Stelle der Bundes-länder sollte eine Reihe von Aufgaben, die sich aus der Umsetzung der Bauproduktenrichtlinie ergaben, übernehmen, die ansonsten von jedem Bundesland gesondert wahrgenommen werden hätten müssen, wie zum Beispiel Bauprodukte-Zulassungen, die Vertretung der Interessen der Bundesländer in europäischen Gremien, die Koordinie-rung verschiedenster Aufgaben im Baubereich sowie die Harmonisierung von Bauvor-schriften. Nach Unterzeich-nung dieser Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG durch alle Landeshauptleute und die Ratifizierung des Dokumentes in allen Landtagen konnte schließlich das Österreichische Institut für Bautechnik in der konstituierenden Sitzung der Generalversammlung am 2. September 1993 gegründet werden.

Die Aufgaben und Schwerpunkte des Österreichischen Instituts für Bautechnik entwickelten sich im Laufe der Jahre weiter, vor allem aufgrund von weiteren europäischen Rechtsakten, die umgesetzt werden mussten. Eine der Kernaufgaben war und ist jedoch die Zulassung von Bauprodukten.

Die Zulassung von Bauprodukten

Österreichische technische Zulassungen (ÖTZ)

Mit der oben erwähnten „Vereinbarung über die Zusam-menarbeit im Bauwesen“ wurde als einheitliche, von allen Bundesländern anerkannte Baustoffzulassung die „Öster-reichische technische Zulassung“ (ÖTZ) eingeführt. Zulas-sungsstellen hierfür waren bei den Ämtern der Landesre-gierungen installiert, und zwar in Oberösterreich, Salzburg, der Steiermark und Wien. Die erste ÖTZ wurde im Dezember 1994 ausgestellt. Zur Koordinierung der von den Zulassungsstellen in den vier genannten Bundeslän-dern erteilten ÖTZ wurde im OIB ein eigener „Sachver-ständigenbeirat für Österreichische technische Zulassun-gen“ eingerichtet, der auch Richtlinien als Basis für die Ausstellung von ÖTZ erarbeitete. Die Ära der ÖTZ dauerte zwanzig Jahre. Es wurde zwar bereits 2012 durch eine neue Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG die „Bautechni-schen Zulassung“ (BTZ, siehe unten) eingeführt, die entsprechenden Landesgesetzte, die diese Vereinbarung umsetzten, traten allerdings in den einzelnen Bundeslän-dern erst zwischen 2013 und 2016 in Kraft. Somit konnten - je nach Bundesland - noch bis längstens Ende 2014 ÖTZ erteilt werden.

Bautechnische Zulassungen (BTZ)

Ab Inkrafttreten der geänderten Landesgesetze konnte das OIB „Bautechnische Zulassungen“ (BTZ) als nationale Baustoff-Zulassungen erteilen. Die erste BTZ wurde im Mai 2015 ausgestellt, und in der Folge stieg die Anzahl der jährlich erteilten BTZ leicht an, erreichte aber nie das Niveau der Europäischen Technischen Bewertungen (ETB), die aufgrund ihrer europaweiten Gültigkeit offensichtlich attraktiver sind.

Europäische Technische Zulassungen (ETZ) - Europäische Technische Bewertungen (ETB)

Im Bereich der Europäischen Baustoffzulassungen war das OIB von Anfang an stark engagiert. Die erste „Europäische Technische Zulassung“ (ETZ) wurde im Februar 1998 vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) erteilt, und in der Folge wuchs die Anzahl der in Europa erteilten ETZ kontinuierlich. Das OIB war ebenfalls unter den ersten Europäischen Technischen Zulassungs-stellen, die eine ETZ erteilten und nachfolgend - gemessen an der Größe des OIB - besonders aktiv.

In der „European Organisation for Technical Approvals“ (EOTA) stellte das OIB von 1999 bis 2003 den Präsidenten, von 2009 bis 2013 den Schatzmeister und von 2013 bis 2017 den Vorsitzenden des Technischen Ausschusses.

Durch die Bauproduktenverordnung, die im Juli 2013 in Kraft trat, wurde die „Europäische Technische Zulassung“ (ETZ) durch die „Europäische Technische Bewertung” (ETB) ersetzt. Die ehemaligen Zulassungsstellen wurden nahezu alle weiterhin wieder als „Bewertungsstellen“ für ETB benannt, darunter auch das OIB.

 

 

Übereinstimmungsnachweise (ÜA)

Nicht unerwähnt bleiben darf auch die Einführung des „ÜA-Zeichens“. Basis dafür war eine weitere Vereinbarung gemäß Art. 15 a B-VG, nämlich jene über die „Regelung der Verwendbarkeit von Bauprodukten“. Ein solches „ÜA-Zeichen“ ist für eine Reihe von Bauprodukten, für die dies als notwendig erachtet wird, als Nachweis der Verwendbarkeit erforderlich. Das OIB legt in der „Baustoffliste ÖA“ fest, für welche Bauprodukte dies der Fall ist. Diese 15a-Vereinbarung wurde im Jahr 1998 abgeschlossen und anschließend von den Bundesländern in Landesrecht umgesetzt.

Das OIB als Akkreditierungsstelle

Als eine weitere wichtige Aufgabe erfüllte das OIB auch die Funktion als Akkreditierungsstelle für Prüf-, Über-wachungs- und Zertifizierungsstellen nach Landesrecht. Hierbei übte das OIB die Funktion als gemeinsame Behörde aller Bundesländer aus. Aufgrund der EU-Ver-ordnung über Akkreditierung und Marktüberwachung, war es den Mitgliedstaaten jedoch nur mehr erlaubt, jeweils eine einzige Akkreditierungsstelle aufrecht zu erhalten. Bund und Länder einigten sich darauf, dass die Funktion dieser einheitlichen österreichischen Akkreditie-rungsstelle jene des Bundes übernehmen soll. Ab dem Jahr 2010 war somit das OIB nicht mehr Akkredi-tierungsstelle.

Das OIB als Marktüberwachungsbehörde

Gemäß der oben genannten EU-Verordnung mussten die Mitgliedstaaten jedoch auch Marktüberwachungsbehör-den für alle unter Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft fallenden Produkte einführen. Für Baupro-dukte sollte das OIB als Marktüberwachungsbehörde   be--nannt werden, zu welchem Zweck die Bundesländer eine weitere Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG abschlossen. Diese Vereinbarung trat im Jahr 2011 in Kraft und wurde von den Bundesländern zwischen 2011 und 2016 in Landesrecht umgesetzt. Aufgrund dieser neuen Funk-tion wurde im OIB eine eigene Abteilung für Marktüber-wachung eingerichtet, damit das OIB diese verantwortungsvolle Behördenfunktion sachgerecht ausüben und alle europäischen Verpflichtungen erfüllen kann.

Das OIB als Produktinformationsstelle

für das Bauwesen

Als weitere Verpflichtung, die sich aus den Europäischen Rechtsakten ergibt, waren in den Mitgliedstaaten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 764/2008 sogenannte „Produkt-infostellen“ einzurichten. Diese Stellen sollen auf Anfrage von Wirtschaftsakteuren oder zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaates Informationen über allfällige technische Vorschriften oder sonstige gesetzliche Be--stimmungen geben, die für ein bestimmtes Produkt in einem Mitgliedstaat gelten. In der Bauproduktenverord-nung wurde dies insofern noch konkretisiert, als die dort genannten „Produktinformationsstellen für das Bau-we-sen“ in Abhängigkeit vom jeweiligen Verwendungs-zweck eines Bauproduktes all jene Informationen bereitstellen muss, die erforderlich sind, damit ein Wirtschafts-akteur weiß, welche „Wesentlichen Merkmale“ (Leis-tungskenn-werte) für das betroffene Bauprodukt deklariert werden müssen, um dessen Verwendbarkeit in diesem Mitglieds-staat beurteilen zu können. Um dieser Aufgabe nachkommen zu können, wurde ein Mitarbeiter des OIB speziell für die Wahrnehmung dieser Aufgabe im OIB abgestellt.

Die Umsetzung der Bauproduktenverordnung

Die bereits erwähnte „EU-Bauproduktenverordnung“ er--setzte nicht nur die bis dahin geltende „Bauproduk-ten-richtlinie“, sondern stellt insofern eine Zäsur dar, als die Bauproduktenrichtlinie in den Mitgliedstaaten durch nationales Recht umgesetzt werden musste, die Baupro-duk-tenverordnung jedoch aufgrund ihres Charakters einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar ist, also weder umgesetzt werden muss, noch in nationalem Recht konkretisiert oder ergänzt werden darf. Dies erforderte, die landesrechtlichen Bestimmungen, die ursprünglich der Umsetzung der Bauproduktenrichtlinie dienten, maßgeblich zu bereinigen und alle Punkte zu streichen, für die nun die Bauproduktenverordnung direkt heranzuziehen war. Aus diesem Grund veranlassten die Länder, folgende Vereinbarungen gemäß Art. 15 a B-VG als neue, mit der Bauproduktenverordnung kompatible 15a-Vereinbarung zusammenzuführen:

»             Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Zusam-menarbeit im Bauwesen

»             Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Regelung der Verwendbarkeit von Bauprodukten

Diese neue „Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Zusammenarbeit im Bauwesen sowie die Bereitstellung von Bauprodukten auf dem Markt und deren Verwendung“ trat nach Genehmigung durch alle Landtage im April 2013 in Kraft und wurde in den Bundesländern zwischen 2013 und 2016 in Landesrecht umgesetzt.

Die OIB-Richtlinien

Neben den oben geschilderten vielfältigen Aufgaben des OIB im Bereich des Bauproduktenrechtes ist noch ein weiteres bedeutendes Aufgabenfeld des OIB zu nennen, das auch bereits in der ursprünglichen 15a-Vereinbarung aus dem Jahr 1993 enthalten war, nämlich die „Harmo-nisierung von Bauvorschriften“. Hierbei handelt es sich um eine rechtlich und politisch interessante Aufgabe, da eine Vereinheitlichung von Rechtsvorschriften - in diesem Fall von den „bautechnischen Bestimmungen“, also dem „Bautechnikrecht“ – nicht durch eine Kompetenzver-schie-bung einer Materie zum Bund, sondern durch eine autonome Vereinheitlichung der Bestimmungen der Län-der unter Beibehaltung der Materie als Landes-kompetenz erfolgen soll. Hierzu wurde ebenfalls eine Bundesländer-Vereinbarung abgeschlossen, und zwar die „Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Harmo-nisierung bautechnischer Vorschriften“. Allerdings trat diese 15a-Vereinbarung - obschon von allen Landes-hauptleuten unterzeichnet - formell nie in Kraft, da die Zustimmung zweier Land-tage fehlte. Dennoch konnte dieses sehr ambitionierte Harmonisierungsprojekt erfolgreich durchgeführt werden. Die erste Ausgabe der zu diesem Zweck geschaffenen „OIB-Richtlinien“ erschien im Jahr 2007, weitere Aus-gaben folgten 2011 und 2015. Seit 2016 gelten die OIB-Richtlinien in allen Bundesländern.

Die Entwicklung der Aufgaben des OIB im Laufe der nunmehr 25 Jahre seit Gründung des Instituts erforderte na--turgemäß auch eine kontinuierliche Anpassung der personellen Kapazität und Qualifikation, und es sei deshalb an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlichst gedankt für ihr großes Engagement und ihren Einsatz dafür, dass das OIB den im Laufe von 25 Jahren stark ausgeweiteten Aufgabenbereich bestmöglich erfüllen kann.

Dipl.-Ing. Dr. Rainer Mikulits,

Geschäftsführer des

Österreichischen Instituts für Bautechnik

mikulits@oib.or.at

 

Gültige ETZ/ETB 1998 bis 2017 und erteilte ETB 2017 nach Bewertungsstellen

  1. Lediglich in einigen Spezialmaterien, wie z. B. bei Eisenbahnen, Luftfahrt und Schifffahrt, bei Bundesstraßen, bei der Wildbach- und Lawinenverbauung oder im Bergwesen ist der Bund auch mit den damit in Zusammenhang stehenden Bauangelegenheiten als Annexmaterie zuständig.
  2.  

Entwicklung der Aufgaben des OIB seit 1993

ERSTQUELLE der Veröffentlichung und Herausgeber (Österreichisches Institut für Bautechnik, OIB aktuell - Das Fachmagazin für Baurecht und Technik, Heft 2/2018). Alle Rechte verbleiben beim OIB.

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